Die Geschichte der Bonifatiusgemeinde Dortmund-Mitte ist geprägt von engagierten Priesterpersönlichkeiten, die in schwieriger Zeit weltoffen einem besonderen Gemeindeverständnis folgten, das sich an Philipp Neri (1515-1595) und Kardinal Henry Newman anlehnte.
Nach dem 2. Weltkrieg bot die total zerstörte Bonifatiusgemeinde Voraussetzungen für einen Neubeginn in diesem Sinne. Auch orientiert an den Gemeinden der Apostelgeschichte schien die Organisationsform eines Oratoriums dazu gut geeignet. Oratorien gab es damals ca. 500 weltweit und etwa 8 in Deutschland. Pfarrer Theodor Böhmken, der 1942 die Leitung der Bonifatiusgemeinde übernahm, hatte sich mit Oratorien schon vorher intensiv beschäftigt und war an der konkreten Umsetzung dieser Organisationsform in der Dortmunder Gemeinde sehr interessiert.
Was war nun das Besondere an einem Oratorium?
Dazu ist es vielleicht sinnvoll, sich an einige Überzeugungen, Ziele und Einstellungen der Initiatoren Neri und Newman zu erinnern:
Neri war es in seiner Zeit wichtig, Gemeinden sittlich und religiös zu erneuern. Dazu schienen ihm Gespräche mit vor allem jungen Menschen auf gleicher Ebene geeignet. Themen der Gespräche betrafen das Evangelium aber auch die Gesellschaft. In ihnen sollten religiöse und sittliche Überzeugungen wiedergewonnen werden. In Gruppen mit vielen jungen Menschen, die Neri Oratorien nannte, versuchte man durch Beten, Musik, Lesen und Gespräch der biblischen Botschaft näher zu kommen. „Das gemeinsame geistliche Leben aus dem Evangelium führte zu einer intensiveren Seelsorge, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung“ (Höltershinken S.10). Neris Ziel war die Wiederherstellung eines christlichen Menschenbildes. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzte er aber nicht Bußpredigten und Gewalt oder Strenge, sondern Empathie und respektvollen Dialog mit seinen Mitmenschen.
Newman sympathisierte mit den Zielen der Oratorien des Philipp Neri. Ihm lag aber auch viel daran, die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit in Dialogen mit seiner Religion in Einklang zu bringen.
„Ziel war der gebildete christliche Laie, der in freier Gewissensentscheidung für den christlichen Glauben eintritt und in ihm die Kluft zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften, zwischen der Welt des Glaubens und der Wirklichkeit überbrückt.“ (Höltershinken S. 12)
Das Oratorium der Bonifatiusgemeinde
In Kenntnis und Bewunderung der Gemeindearbeit von Neri und Newman schlossen sich die Pfarrer der Bonifatiusgemeinde zu einer Arbeits- und Lebensgemeinschaft als Leitungsteam für die Gemeinde zusammen. Dabei war ein wichtiges Ziel, auch die Laien in der Gemeinde mit in die Gestaltung des Gemeindelebens einzubeziehen.
Es ging ihnen um Erneuerung im Geiste der Liturgiebewegung, die nicht nur Gottesdienst, sondern auch sonstiges Gemeindeleben und Neugestaltung des Kirchenbaus umfasste.
Wichtig war auch die Überwindung des Traumas der „braunen Diktatur“ und des Rassenwahnwitzes. In wöchentlicher gemeinsamer Arbeit versuchte man wieder Orientierung in Geschichte, Soziologie, Psychologie, Katechetik, Literatur und neutestamentlicher Schriftauslegung zu finden. Auch die Wiedervereinigung katholischer und evangelischer Christen war ein Anliegen und nicht zuletzt eine engagierte Jugendarbeit.
Kirche ist seitdem nicht mehr lückenloses Lehrgebäude, sondern Gemeinschaft, die die Mitarbeit von Laien und Bereitschaft zum Dialog in den Mittelpunkt rückt. Im Geiste dieser Haltung entstanden 1966 und 1967 auch die ersten Familienkreise.
Genaueres zur Entwicklung des Oratoriums St. Bonifatius Dortmund-Mitte
Einzelheiten zur Entstehung, zum Verlauf und zur Aufgabe des Oratoriums der Gemeinde beschreibt das Buch
Der Projektverlag und Herr Professor Höltershinken stellen das Buch der Gemeinde hier als PDF-Datei zur Verfügung, weil es im Handel leider nicht mehr zu haben ist.
Ich wünsche viel Freude bei der Lektüre
Ulrich Möller
Download: oratorium.pdf (2,46 MB)